Mit den jugendlichen Konfirmand*innen diskutiere ich nach dem Besuch des jüdischen Friedhofs in Siegburg. Die Frage ist: Inwiefern müssen wir als Deutsche uns weiterhin mit den schrecklichen Untaten auseinandersetzen, die Deutsche während der Zeit des nationalsozialistischen Regimes begangen haben – mit dem Unrecht, der Grausamkeit und der unbegreiflichen Zahl an Morden. Ein Konfirmand, der sehr gewissenhaft in Gerechtigkeitsfragen ist, besteht darauf: Wir heute können keine Schuld haben an etwas, das wir nicht getan haben. Ob wir anstatt von Schuld vielleicht eher von Verantwortung sprechen sollten, frage ich ihn und die Runde. Ich meine die Verantwortung dafür, dass das von Deutschen verübte, unglaubliche Leid nicht vergessen wird, sondern weiterhin mahnend erinnert wird. Hier kann er zustimmen.
Am heutigen 27. Januar gedenken wir der Opfer des nationalsozialistischen Regimes. Wir gedenken an Menschen jüdischen Glaubens. Wir gedenken an Gefangene, die aufgrund ihrer politischen Gesinnung oder Weltanschauung zu Opfern wurden. Wir gedenken an Menschen, deren Weise zu lieben oder deren Herkunft zum Grund von Verfolgung gemacht wurde. Wir gedenken an Menschen mit körperlichen oder psychischen Behinderungen, die Opfer von Grausamkeit und Unmenschlichkeit wurden.
Verantwortlich leben – das ist die einzige Antwort, die wir auf die bohrenden Fragen dieses Gedenkens geben können. Verantwortlich leben, das meint, dass ich die Verantwortung für das, was ich tue, niemals einfach abgeben kann an irgendwen, der dies befiehlt. Für die Würde meines Nächsten bin ich bleibend verantwortlich – und auch dafür, dass unser gesellschaftliches Miteinander das Gespür für die Würde des*der Einzelnen nie verliert.
Leider gehört zur Wahrheit des Gedenkens, dass auch große Teil der evangelischen Kirche dieser Verantwortung damals nicht entsprochen haben.
Pfr. Sebastian Schmidt, Synodalauftrag christlich-jüdisches Gespräch
(sebastian.schmidt@ekir.de)
Heute finden verschiedene Gedenkveranstaltungen statt. Auf einige sei hier hingewiesen: