„Wie ist die Welt so stille, / und in der Dämmrung Hülle / so traulich und so hold! / Als eine stille Kammer, / wo ihr des Tages Jammer / verschlafen und vergessen sollt.“
In der Coronakrise wird das „Abendlied“ von Matthias Claudius oft gesungen, es steht für Zusammenhalt, Gemeinschaft und Hoffnung. Einige Strophen des Liedes haben wir abends immer unseren Kindern vorgesungen, abwechselnd mit „Guten Abend, gut Nacht“.
Abendlieder geben Kindern ein gutes Gefühl des behütet seins. Nähe, Wärme und Liebe werden durch sie zum Ausdruck gebracht. Und was immer die kleinen Seelen auch den Tag über beschäftigt hat, ein Abendlied steht für das Versprechen „Morgen ist alles wieder gut“. Wir Erwachsenen wissen, dass dieses Versprechen nicht immer gehalten werden kann. Der Morgen hält meist die gleichen Probleme bereit wir der Abend davor. Und „verschlafen und vergessen“ führt selten zu einer Lösung. Und doch gibt es Krisen, bei denen uns nichts anderes übrig bleibt, als auf den nächsten Morgen zu warten. Und den danach. Und den Folgenden. Solange, bis es uns besser geht. Trauer ist eine tiefe Krise, bei der nur Zeit hilft. Wut muss erst einmal abklingen, bevor eine Aussprache möglich ist. Liebeskummer heilt nur sehr langsam. Krankheit kann uns gar die Aussicht auf einen besseren Morgen verwehren. Hier sind „verschlafen und vergessen“ ein Segen, eine Erleichterung für ein paar Stunden.
Guter Gott, bitte schenke uns die Erkenntnis, wann ein Problem mit Kampfgeist und wann mit Langmut angegangen werden muss. Und bitte sei bei uns, wenn uns keine Lösung gegeben wird, wenn wir das Schicksal zu ertragen haben. Sei Du uns der Morgen, auf den wir vertrauen können, in dem alles gut wird.
Presbyterin Katja Dirks